31.07.2013 22:37

Tag 1 - byebye Beijing und Regen in Laiyuan

 

Tag eins! 

das Wichtigste zuerst: wir sind sicher und jetzt wieder trocken im Hotel in Laiyuan - eine nichtssagende chinesische Stadt an der Nationalstraße 108. ziemlich genau 300km waren es heute. und die waren nicht immer einfach! aber fange ich doch von Beginn an. aaaalso: 
um 6 Uhr sind wir aufgestanden, haben beim Kaffee den Rest zusammengepackt. Robert hat alles in die Tiefgarage geschleppt und an den Motorrädern befestigt, während ich den Kühlschrank abgetaut und saubergemacht habe. 
Der Vermieter kam pünktlich um 7.30 und hatte nichts zu beanstanden. 
Er begleitete uns zu den Motorrädern und als er sah, was da alles mitsollte, stand ihm das Unvermögen zu verstehen ins Gesicht geschrieben. er hat nur den Kopf geschüttelt und mir erläutert, dass er Urlaube bevorzuge, in denen man einfach nur faul am Strand liegt und sich ansonsten auch möglichst wenig bewegt oder fortbewegt....
Nachdem alles verstaut war, sah mein Motorrad noch recht human aus, Roberts hingegen eher kriminell mit den Aufbauten. Die erste kurze Fahrt aus der Tiefgarage ans Tageslicht, wo wir noch in Ruhe ne Cola trinken wollten, bevor es losgeht, war für mich erstaunlich eierig. man man man, da muss man sich erstmal dran gewöhnen, dass plötzlich das Motorrad vorne so leicht wird, wenn hinten das Gepäck nach unten drückt. ganz anderes Fahrgefühl. hat mir im ersten Moment Schiss gemacht und ich hab noch ne kleine Panikattacke bekommen, aber es sollte sich herausstellen, dass alles gut wird. nachde man sich dran gewöhnt hat, gehts erstaunlich gut und letztendlich alles wie immer - fast jedenfalls.
Robert musste einge nervositätshemmende Worte machen und mich beruhigend in den Arm nehmen, bevor ich in der Lage war, loszufahren. aber kaum auf dem Weg verwandelte sich die Unruhe ganz plötzlich in höchste Konzentration und gelassene Fokussiertheit. 
wir erreichten den 5. Ring. der war rappelvoll. immer wieder stop and go und chaotisches Spurenwechseln unserer Mitverkehrsgenossen - das alte Spiel der Chinesen, man kennt es ja zum Glück schon. 
es war heiß in der Jacke und Hose, aber dem konnten wir keine Aufmerksamkeit schenken. einfach aushalten! 
Wir passierten die Airport Expressway-, Jingcheng-, Badaling-Highway- und Sommerpalast-Abfahrt... bis im Westen der Stadt dann endlich die 108 angezeigt wurde. erste Hürde genommen! und bei erstbester Gelegenheit hielten wir für eine kurze Pause. Hunger hatten wir auch. Brot gab´s mit Wurst und Babybel. 
ein kurzer Blick auf die Karte sagte uns, dass Laiyuan die nächste größere Stadt ist. sie wurde auf den Schildern mit knapp 250km Entfernung angekündigt. ob wir es bis dahin schaffen würden heute, war zwar ein Wunschgedanke, aber wir glaubten es eigentlich nicht, denn wir waren furchtbar müde, ich vor allem. 
wir kamen an die Grenze zur Provinz Hebei. und es ist unglaublich: direkt unter dem Provinzschild änderte sich die Straßenbeschaffenheit: plötzlich fehlte die letzte Asphaltschicht und die aufgeraute Straße mit ihren kleinen Rinnen war nicht wirklich angenehm zu fahren. aber das war im Grunde noch komfortabel zu dem, was dann noch folgen sollte. Baustellen ohne Ende, Baustellenfahrzeuge ohne Ende, schmierige Straßen und immer wieder Holperabschnitte. teils war nur eine Fahrbahn befahrbar, weil auf der anderen gerade die Teermaschine fuhr. was die Chinesen aber nicht wirklich interessiert. Mopeds, Autos und sogar LKW fahren auch direkt hinter der Teermaschine. so kriegt man die Straße kaputt, bevor sie überhaupt festgeworden ist. clever! 
aber auch das war alles noch ok. was die erste für mich etwas komische Situation war, war als wir plötzlich vor einer Absperrung standen, nix ging mehr weiter, Straße zu. warum?: sie bauten an der Brücke. und noch bevor wir uns selbst fragen konnten, was nun zu tun sei, verriet es uns ungefragt ein Chinese, der aus dem Nichts auftauchte mit seinem Moped und total stolz war, uns den Weg weisen zu können. er ist vorausgebrettert bis zu der Piste, die wir als Umfahrung der Brücke nehmen sollten. hätten wir so selber nicht unbedingt auf Anhieb kapiert. als wir eingebogen waren, hatte er seine kleine Hilfsmission erfüllt und drehte wieder um zu seinen Kumpels, die am Straßenrand warteten. 
wir nahmen die Piste. oh oh. da hatte ich das erste Mal etwas Bedenken. und bei Roberts überladendem Motorrad wippte alles und geriet in eigendynamischen Schwingung. da fiel die Entscheidung, dass heute Abend das Gepäck abgespeckt werden muss. "mindestens 15kg weniger" lautete Roberts Ansage. die LKW bretterten durch die tiefen Furchen und hüllten uns in dichte Staubwolken. von Rücksicht keine Spur.
nachdem diese Holperpiste hinter uns lag, wurde es angenehmer, wenigstens zeitweise. wir waren ganz guter Dinge und dachten uns: na immerin ist die Straße jetzt wieder besser, um 18.30 sollten wir in Laiyuan sein. aber Pustekuchen. es folgten weitere Baustellen und weitere Sperrungen. wieder eine Umfahrung - na herrlich! und diesmal mit kleiner Wasserdurchquerung. die erste am heutigen Tag, es sollten noch mehr werden. 
Robert war schon lässig durchgefahren. ich hab oben am Berg angehalten und überlegt. es sah nicht wirklich schlimm aus, aber bei Robert hatte ich gesehen, dass es doch tiefer sein musste als es den Anschein machte. jedenfalls wollte ich erst lieber nochmal fragen, wie und in welchem Gang (1 oder 2?) ich es versuchen sollte. nach entsprechender Ansage habe ich dann Anschwung genommen, etwas zuviel, aber es ging. nix passiert. nur nass geworden. 
Als nächste kleine Überraschung gab es einen Wolkenbruch. da dachten wir eigentlich, schon in wenigen Minuten in Laiyuan ankommen zu müssen, aber wir wussten es nicht genau, denn mit der Grenze zu Hebei gab es plötzlich auch keine Schilder mehr, auch keine Kilometersteine am Rand der Straße. nichts. keine Information mehr. nicht sehr ortsfremd- und touristenfreundlich, diese Provinz. 
wir stellten die Motorräder unter einem Baum ab, dessen Äste über die Straße hingen. suchten Schutz dort und sicherten die Kameras, aber es dauerte nicht lange, dass wir trotz Schirm, den wir glücklicherweise dabei haben, ziiiiemlich nass waren. gegenüber war durch den dichten Regen eine kleine Hütte zu erkennen, aber es sah zunächst so aus als sei sie verriegelt. also versteckten wir uns so gut es ging unterm zu kleinen Schirm. als wieder etwas mehr erkennbar war, entdeckten wir, dass es doch ne Tür gab, die nur angelehnt war. wir suchten Zuflucht im trockenen Heuspeicher und zogen uns zusätzliche Regenjacken unter die Motorradjacken an. das half und machte etwas wärmer. 
aber wir mussten weiter, es wurde nämlich allmähich dunkel. also ging`s wieder los, trotz Regen. wir hatten die Wahl zwischen Visier zulassen und gar nichts mehr sehen durch die gegenlichtreflektierenden Tropfen oder Visier aufmachen und die Regentropfen pingpingping direkt auf Gesicht und ins Auge abzukriegen. wir wählten Letzteres.
bei Regen ist es irgendwie NOCH ätzender, wenn die Chinesen entweder GAR kein Licht anhaben oder gleich ALLE, die sie haben inkl. grellem Fernlicht. was dazwischen, so wie wir das handhaben, kennen sie offenbar nicht. oder glauben, es sei nicht sicher genug. man musste höllisch aufpassen. 
es gewitterte. immer wieder Blitze am Himmel: taghell und rosa(!) waren sie. und der Himmel war ne Mischung aus dunkelgrau und etwas gelblich. 
ich hab mich die ganze Zeit gefragt, wann diese verdammte Stadt endlich auftaucht. es gab nur eine große Fernfahrertankstelle nach der anderen und kleine Kaschemmen am Rande der Straße... aber ne Stadt?? weit und breit nicht. und auch keine Hinweisschilder. 
irgendwann tauchten jedoch dann doch mal Hochhäuser auf. und die Hoffnung, bald in irgendeinem Hotel zu landen, wuchs. 
aber bevor es soweit sein sollte, kam noch das Schimmste, denn wie gesagt: weitere Wasserdurchfahrten erwarteten uns. die Straße war plötzlich keine Straße mehr. es war nur noch eine breite Fläche ohne Begrenzung (weder seitlich noch mittig) und nur noch Schlaglöcher und Seen vom vielen Regen. und: es war schon dunkel. nur durch Beobachten der andere Fahrzeuge war zu ermessen, wie tief das Wasser wohl sein konnte. aber was sich unter der Wasseroberfläche verbarg, blieb uns verborgen. also gab es nichts anderes als Augen auf und durch. im 1. Gang mit Schwung, wie ich gelernt hatte. ich wusste nicht, wo mich der Schwung hinbringen wird, aber Hauptsache nicht umfallen oder steckenbleiben. Robert hatte mir geraten: "wenn die Lenkrichtung mal nicht genau die ist, die Du Dir dachtest, macht das nix. Hauptsache Du hast Schub." ok. gesagt, getan. Schub hatte ich. aber es war ein ziemliches Blindflugverfahren. oh man! sowas hatte ich noch nie vorher gemacht. aber alle anderen sind ja auch irgendwie durchgekommen, also warum ich nicht auch?! die Pfützen waren tief und das Wasser schwappte bis über die Knie. schön und entspannt war das nicht. "ich hasse die Chinesen", dachte ich in dem Moment. warum können die keine vernünftigen Straßen bauen??? 
Adrenalin gab es viel, aber alles war gut. 

nach diesem highlight dauerte es nicht mehr lange, dass wir eine Hoteleinfahrt sahen. die erstbeste. die haben wir dankbar genommen! 
und das Hotel ist ok. nicht schön, aber wir haben einen großen Raum, in dem wir alle unsere Sachen zum Trocknen ausbreiten können.
und Robert hat schon neu sortiert, während ich hier schreibe. alles ist nun wasserdicht. und insgesamt wird Gepäck reduziert. wegen der eigendynamischen Schwingung, you know?! ... ;-) 

es war ein ereignisreicher erster Fahrtag. aber alles sicher, alles gut. 
wir sind wohlbehalten und glücklich im Trockenen... 

viele Grüße für heute... 

Eure Fernreisenden 

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