Tag 19 - Seeromantik
von einem Campingplatz in der kasachischen Steppe zum nächsten … aber das wussten wir zu Tagesbeginn natürlich noch nicht. wir sind einfach gefahren auf der immerselben Straße mit der immerselben Aussicht. ich hab mich echt gefragt, ob es in Kasachstan wirklich nur zwei mehr oder weniger große Städte - Almaty und Astana - gibt und der Rest so aussieht, wie es sich uns gestern und vorgestern gezeigt hat. da ist weit und breit nichts außer trockenes Gras, ausgetrocknete Flusstäler, karge Berge und Steine. wenn auch recht friedlich so zum Durchfahren und Nächtigen, doch aber recht öd zum Dortwohnen. ein paar Wenige gibt es ja schon, die dort ihre Hütten aufstellen. und es gibt sogar mitten in der Pampa Bushaltestellen. wollte ich eigentlich festgehalten haben, hatte aber den Apparat nicht so schnell zur Hand. wäre ein gutes Bild geworden. dass hier ein Bus fährt, das kann man sich ja noch vorstellen, dass dort aber in dem Häuschen Leute warten, das eher nicht, denn: woher sollen die kommen, wenn weit und breit nichts ist??
wir mussten nur den Lenker geradeaushalten. naja, nicht nur. denn es gab mal wieder etliche Abschnitte, wo diese elendigen Straßenverwerfungen waren. Die Straße ist dann einfach wie Knete zusammengequetscht und hat tiefste Spurrinnen. da muss man schon ganz schön aufpassen. außerdem gab es mal wieder starken Wind.
Ihr müsst mal auf die Karte gucken: es gibt einen grooooooßen See im Osten Kasachstans. an dem fahren wir gerade über hunderte km entlang. und sobald der See rechts von uns war, pustete auch der Wind! und zwar heftig! die am wenigsten willkommene Situation ist dann die Kombination von a) bis zu 20cm tiefen Spurrinnen, b) wenig zimperlichem Seitenwind und c) überholendem LKW. kam aber auch einige Male vor.
wir fuhren und fuhren, irgendwann in der dringenden Hoffnung auf die nächste Tankstelle. aber es gab an den rostigen Hütten nur Diesel oder gar nichts. irgendwann hieß es: noch 20km. war dann auch so. es gab Benzin für die Pferde und Nudeln für uns im „Café“ nebenan. wir haben einfach mal wieder auf das Essen am Nachbartisch gezeigt und dabei wild genickt. da hat die Dame schon kapiert, dass wir ebensolches Essen auch gern hätten.
wir hatten eigentlich vor, noch die 266km zum Ort Baikalsh zu schaffen, aber Robert folgte irgendwann einem Campingplatz-Schild. Campen am See. ja, warum eigentlich nicht?!
Zunächst sah alles etwas müllig aus trotz der eigentlich schönen Seekulisse. Nach etwas Rumirren und Umherfahren („n bisschen Offroad-Übung schadet Dir nichts, Friedchen“), haben wir dann einen Platz gefunden. ich war anfangs noch etwas skeptisch, aber als wir das Zelt aufgebaut und es uns dort „eingerichtet“ hatten, war alles gut. Der Zeltaufbau war nicht ganz ohne, denn es hat ziemlich stark gewindet, das Überzelt wollte fast wegfliegen. ich erinnerte mich an das „Schwungtuch“, was in Bergkirchen auf dem Rasen neben dem Gemeindehaus zur allgemeinen Belustigung öfter mal zum Einsatz kam.
Robert fragte mich, ob er jetzt die Nudelsuppe machen solle. „nein, erst nach´m Baden“ lautete meine Antwort. baden?? in deeeem kalten Wasser???? -- jaaaaa!!!
da wurde mein wunderbarer Scout und immer heldenhafter Mann plötzlich ganz zögerlich, als ihm das Wasser bis zu den Waden stand. ich war schon drin und jubelte, wie schön es ist, wenn man sich einmal überwunden hat.
es WAAAR kalt, ich geb`s zu, aber auch herrlich! das fand Robert dann im Nachhinein auch!
wir nutzten die Gelegenheit, uns auch gleich noch die Haare zu waschen. das bisschen Shampoo sollte der sich über hunderte km lang erstreckende See abkönnen, dachten wir uns.
bbrrrrrrr, kalt! aber welch ein Wohlgefühl war es dann, sich anschließend erst ins Handtuch zu wickeln, dann nach und nach wieder aufzutauen. wir haben die gemütlichen Hosen rausgekramt, die warmen Stricksocken von Mama, die warmen Pullover. und dann wärmte die etwas scharfe chinesische einfach-Nudelsuppe noch zusätzlich von innen.
Es war wie in Noer (für alle, die es nicht wissen: Noer ist ein Ort an der Ostsee. DER Campingplatz meiner Familie seit eh und je, an den ich nuuur beste Erinnerungen habe!), und zwar aufgrund folgender Ingredienzen:
Wasser, Wind, Zelt, Zeltgeraschel, das ebenbeschriebene Wohligkeitsgefühl nachm Baden im kalten Wasser, Möwen, Grashüpfer ... hätten nur noch der Wohnwagen, Doppelkopf und Chipsletten gefehlt. und natürlich Mama, Papa und die Schwestern... ;-)
wir genossen den ruhigen Abend. Robert machte noch seinen Abendspaziergangs-Fußtraining, ich malte in die Karten alle Orte ein, wo wir übernachtet haben -- um dann später mal die genaue Route nachzeichnen zu können. und hab n bisschen Reisenotizen aufgearbeitet.
Der Mond schien schön und hell und reflektierte auf der Wasseroberfläche! man man man, wie romantisch! und das in Kasachstan! wer hätte das gedacht??
wir gingen schlafen, sollten aber später feststellen, dass an viel ruhigen Schlaf nicht zu denken war, weil es zu sehr windete ...
... aber zunächst fühlte sich alles friedlich an.
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