Tag 23 -- letzte Station vor der Grenze nach Russland
Wir sind in Petropavlovsk, kurz vor der Grenze nach Russland. laut Karte sind es noch knapp 100km. wir wollen morgen dann einigermaßen zeitig los, denn man weiß ja nie, a) wie die Straßen sind, b) wie lange die Grenzprozedur in Kauf nehmen wird.
Dass schlechte Straßenverhältnisse aufhalten können, haben wir heute gerade wieder erleben "dürfen". nach der gestrigen flotten Autobahnerfahrung dachten wir ja, dass wir heute wieder einen lockerleichten Tag hätten. dem war aber leider nicht so, denn:
1. war es schon morgens, als wir die Nase ausm Fenster streckten, ziemlich frisch. ich beschloss gleich, dass unter die Motorradhose noch ne andere drunter müsste und auch obenrum noch zwei Schichten mehr nicht falsch wären. Robert war da etwas bescheidener, hat sich aber nachher auch nicht beschwert, nur einmal kommentiert: "mir ist kalt" -- ja, das war mir auch! TROTZ der zwei Schichten mehr. aber das sind halt Männer! -- die haben 40% und wir nur 23% Muskelmasse, die wärmen kann. … :-)
2. als wir loswollten, fing es an zu regnen. öh! doof! bei Regen fahren ist immer sch…
aber erst war es nur halb so wild. wir wollten schon erleichtert sein, aber zu früh gefreut. denn der Regen wurde doch wieder mehr und es kam
3. hinzu: Baustellenumfahrungen auf Erd- und Schotterboden. und das bei Nässe. also so gar nichts für mich! ich gebe zu, es hätte schlimmer sein können, denn die "Straße" war immernoch einigermaßen ok befahrbar, aber es macht irgendwie einfach keinen Spaß. mich jedenfalls hat es total genervt. es huppelt die ganze Zeit, man muss immer aufpassen, dass das Vorderrad nicht auf eigene Ideen kommt, dann ist das Visier voll Regen und wenn man`s aufmacht, hat man die Dreckspritzer direkt aufm Gesicht. und dann war es eeeeisekalt. die Finger meiner rechten Hand habe ich mal wieder nicht mehr gespürt. links ging es nur deshalb noch einigermaßen, weil ich die ja wenigstens ab und an vom Lenker nehmen und vorm Wind schützen konnte; rechts bleibt aber immer am Gasgriff. tja, aber auch ohne Gefühl fährt es sich erstaunlich gut! ;-)
ein paar Mal haben wir uns trotzig gedacht: nö, da fahren wir nicht runter, sondern bleiben schön auf der schon nahezu fertigen Teerstraße. die paar Baustellenfahrzeuge stören ja nicht. ist auch weitestgehend gut gegangen, Problem war nur, dass am Ende solch einer Strecke dann leider meisten so`n dicker Erdhügel kam, über den ich mich ja irgendwie so gar nicht recht drübertraute. Robert hat ohne, dass ich weitere Zeichen geben musste, sein Motorrad abgestellt und kam zu Fuß zurück, um meins zu übernehmen. ha, da war ich froh! nachher hatten wir die dicken Erd- und Lehmklumpen unter den Füßen -- erhöht nicht gerade das Feingefühl beim Bremsen und Schalten, aber macht ja nichts …
gegen die Kälte habe ich mir dann irgendwann noch so knallgelbe Haushalts-Putz-Gummihandschuhe übergezogen. man man man, das sah vielleicht schick aus! jeder echte Biker würde einen Teufel tun, sowas anzuziehen, aber es half -- etwas zumindest. und diente zusätzlich als passable Scheibenwischer.
an den Baustellen haben wieder alle Bauarbeiter gewinkt. nicht nur einer, nein alle! es ist schon was anderes, wenn man mit einem Motorrad daherkommt, das beladen und dazu saudreckig ist. jeder weiß, dass wir durch den ganzen Schmodder gefahren sind, jeder weiß, dass es bestimmt kalt und unangenehm ist … und jeder hat irgendwie Respekt und zeigt uns dies mit Daumen nach oben! … nett!
gegen Mittag, noch bevor der ganze Baustellentrubel losging, hielten wir an irgendeinem sogenannten "Café", wo es immer was zu Essen und n heißen Tee/Kaffee gibt. als wir parkten, kam ein Mann auf uns zu, fragte freundlich irgendwas und ich sagte nur: "ja, Du bist ja nett, aber ich kann Dich leider nicht verstehen!" --- "oh, Sie sind Deutsch", antwortete er. mitten im Nichts begegneten wir also jemandem, der vor 15 Jahren mal für 2 Monate im Schüleraustausch in Oldenburg war und noch immer ein ziemlich gutes Deutsch sprach. er war super nett, wir haben uns ne Weile mit ihm unterhalten. war schön! … und dann auch noch ein Foto gemacht, werde es nachher einstellen.
irgendwann wurde die Straße wieder etwas besser, immerhin auf lange Sicht keine Baustellen mehr. und irgendwo weit vorne war blauer Himmel zu sehen. unser Tempo steigerte sich von ganz alleine, denn: da, zur Sonne, da wollten wir hin! kaum, dass wieder Blau über uns war, wurde es wärmer. ich bin die ollen Gummidinger wieder losgeworden und alles war sichtlich angenehmer, denn auch der Scheibenwischer war nicht mehr notwendig.
die km nach Petropavlovsk wurden weniger. und irgendwann kamen wir an in dieser überraschend hübschen kleinen Stadt.
wir fanden ein Hotel, das von außen nicht sehr vielversprechend aussah, aber innen echt sehr annehmbar ist. sie hatten ein Zimmer! sogar ein schönes! und sogar eins mit einem gemütlichen großen Bett statt zwei Einzelpritschen, sie haben Frühstück inklusive und: Wifi! juchuu! … und für die Motorräder gibt`s einen Parkplatz mit Kameraüberwachung. wenn wir wollten, könnten wir auch noch in den Sauna- und Fitnessbereich nutzen. Fitness kann ich im Moment drauf verzichten, aber Sauna hätte schon was. mal sehen …
ich hab im Zimmer als erstes das Wifi eingeschaltet und gesehen, dass Ihr schon wieder so nette Nachrichten geschickt habt! … und es war sogar ein Gruß ausm ACB dabei! cool! danke, Lorenz! ;-)
falls Du meine Nachricht per sms nicht bekommen haben solltest, sei Dir hiermit nochmal gesagt, dass ich heute einen Bus gesehen habe mit der Aufschrift "Steiermarksche Landesbahn" -- wie der wohl hierher gekommen ist??
bevor wir noch einen kleinen Spaziergang machen, hier noch die Gesamtbilanz:
wir haben schon 7.138km Wegstrecke hinter uns. davon 4.950km in China und 2.188km in Kasachstan. wir dürften damit über die Hälfte bereits geschafft haben! und wir freuen uns so sehr, dass bisher alles so problemlos lief und es vor allem so wunderschön und interessant war. wir staunen beide immer wieder, vor allem im Nachhinein, was wir schon alles gesehen und erlebt haben! Wahnsinn! es ist soooo schön und wir sind ein super Team! ;-)
herzliche Grüße und vielleicht bis später nochmal,
Friederike und Robert
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