26.08.2013 14:24

Tag 25 - Nebel von Avalon und Hexenhäuschen

 

die Hochzeitsdisko hat zum Glück zu einigermaßen vernünftiger Zeit aufgehört. es gab noch ein Feuerwerk aufm Hof (s. Foto) und danach war Schicht im Schacht. gut für uns. 

ich hatte mir schon die Ohropax bereitgelegt, dann kurz vorm Einschlafen in der Hand gehalten. und zwischen dem Gedanken "die steck ich mir jetzt ins Ohr in der Hoffnung, das Wummern zu reduzieren" und Aufwachen habe ich geschlafen wie ein Stein -- und hab nachm Aufwachen erst  festgestellt, dass ich die Wachsdinger im Bett verloren hab, ohne sie gebraucht zu haben. ein Zeichen dafür, dass die Musik im richtigen Moment aufhörte und ich offenbar huuuuundemüde war. 

Robert hat auch wunderbar geschlafen. 

wir sind gegen 9 Uhr losgefahren. Ziel war Chelyabinsk. nachdem wir das aber gegen 16.30 Uhr erreicht haben, haben wir uns gedacht, dass wir noch n "kleines Stück" weiterfahren. aus den 260km wurden aus dieser Entscheidung plötzlich 480km.  

wir sind nun ungefähr 290km vor Ufa. 

eigentlich wollten wir in einem Ort übernachten, der schon 80km vorher angezeigt war. dieser Ort war eigentlich meine Hoffnung, ich zählte die km bis dort. Robert fuhr dann aber an der Abzweigung vorbei. hm. ich hab ihn drauf hingewiesen, wir fuhren zurück, fest entschlossen, dort unser Glück zu versuchen. aber nachdem wir abgebogen waren, hörte die gute Straße abrupt auf und es gab erst Schlaglöcher, dann plötzlich nur noch Piste. und das 18km? -- weckte nicht gerade unser Vertrauen, dass es am anderen Ende einen Ort mit Hotel gebe. 

also sind wir doch auf er Hauptstraße geblieben, immer die Augen auf nach einem Mo- oder Hotel. aber es ging immer nur wieder den Berg rauf und runter. da waren sie, die "Berge", nach denen ich gestern noch gefragt hatte. allerdings waren es keine echten Berge, sondern gemessen an den chinesischen eher "Waldhügel". aber trotzdem eine ganz nette und landwirtschaftlich wirklich hübsche Abwechslung gegenüber den platten Feldern. 

es ging wieder schnurstracks Richtung Westen, was ja schon seit Beginn unserer Reise bedeutet, dass wir ab spätnachmittags immer direkt in die Sonne fahren. das ist ja auch eigentlich schön, aber heute war es irgendwie störend deshalb, weil man so gut wie nix mehr gesehen hat durch das von der Tagesetappe mückenverklebte, staubbedeckte und kleinsteinschlaggeplagte Visier. Roberts Visier ist sowieso ausrangierbereit -- so wie der ganze Helm. er sagte vorhin, es sei wie durch die "Nebel von Avalon" zu fahren, und zwar auch, wenn man die Sonne im Rücken habe. tja, da habe ich`s mit meinem noch neuen Exemplar weit besser. 

 

jedenfalls dachte ich bei jedem nicht auf Anhieb erkennbaren Schild, dass es bestiiimmmt eins ist, wo ein Bett drauf abgebildet ist und das Fahren sicherlich jetzt für heute ein Ende habe. aber nein, es entpuppte sich bei näherem Hinsehen und schon fast wieder Dranvorbeifahren nur wieder als ein Baustellen- oder Geschwindigkeitsbegrenzungsschild.

wie gut, dass unsre Wildpferde knapp 600km Aktionsradius haben und man nicht nach 200km schon Angst haben muss, dass die nächste Tankstelle womöglich nicht so bald kommt. wenn wir auf Reserve fahren würden, könnten wir immernoch 150km. das ist doch irgendwie beruhigend. und wir haben auch sogar noch ein paar Liter im Reservekanister. 

die wollten wir allerdings heute nicht hergeben, als am Straßenrand plötzlich wild gestikulierende Männer mit einem leeren Tankkanister winkten. ich dachte mir einfach nur: wieso sollten ausgerechnet wir denen helfen, wenn sie keinen Sprit mehr haben? denn wir haben ja nur ein paar Literchen in unserem Tank, da können andere besser. aber bei Robert haben tatsächlich die Alarmglocken geschlagen: bei dem guten Tankstellennetz keinen Sprit zu haben, das ist schon komisch. und dann ausgerechnet Motorradfahrer heranwinken zu wollen. ne ne ne! -- denen hat er gar nicht über`n Weg getraut. 

So eine Situation gab es heute bestimmt vier Mal. wir sind immer weitergefahren, ohne die dicken Männer weiter zu beachten. 

 

insgesamt haben die Russen mich heute irgendwie gestresst. sie fahren extrem schnell, extrem nah und extrem knapp beim Überholen. und insgesamt war mir das heute alles n Tuck zuviel. hatte aber auch keinen wirklich guten Tag. war innerlich etwas unausgeglichen - kommt vor, keine Katastrophe. bedeutet nur: höchste Konzentration ist das Allerwichtigste! 

aber es war die ganze Zeit einspurig mit viel Verkehr und viel Gegenverkehr, bedeutet ständig Überholtwerden und Überholen. da habe ich mir schon durchaus gewünscht, ein paar PS mehr zu haben. denn wenn Roberts Motorrad so gemütlich mit 6.000 Umdrehung dahinschnurrt, ist mein Maschinchen  mit 8.000 Umdrehungen schon im Hochleistungssportmodus -- bei vergleichbarer Geschwindigkeit. das heißt, dass da bis zum roten Bereich nicht mehr viel fehlt und demnach auch nicht mehr wirklich üppig Spielraum ist beim Überholen. habe heute bestimmt vier Mal einen Überholvorgang abgebrochen, weil ich feststellte, dass da zu wenig Schmackes ist, gemessen an dem entgegenkommenden Fahrzeug. also doch lieber wieder zurückfallen lassen. Mama hat früher immer gesagt: "im Zweifel nie!" -- habe ich mir für immer und ewig gemerkt und beherzige dies aus tiefster Überzeugung! 

meine chinesiche Qianjiang hat 11,8 und Roberts Yamaha hat 19,8 PS -- beides sehr bescheiden, aber von einem zum anderen nochmal fast die Hälfte Unterschied. 

naja, wie dem auch sei. alles ging gut. und ich will mich ja gar nicht beschweren. und schon gar nicht auf das Motorrad schimpfen, denn es leistet wirklich erstaunlich gute und treue Dienste! 

wollte nur sagen, dass n bisschen mehr PS auch manchmal n bisschen besseres Sicherheitsgefühl geben könnten. 

 

jedenfalls fanden wir irgendwann einen Platz! -- finally! wir glaubten, mit unseren perfekten Kenntnissen der hiesigen Sprache das Wort entdeckt zu haben, was auf Übernachtungsmöglichkeit schließen lässt. das Gebäude und auch die Tankstelle daneben und gegenüber sind ganz im Hexenhausstil gehalten. man fragt sich, warum! aber ja, wieso eigentlich nicht? … aber dass wir hier eine „märchenhafte“ Nacht verbringen, das scheint uns ziemlich unwahrscheinlich. Das Zimmer ist scheußlich, klein und oll, die Bettdecke und Kopfkissen sind saudreckig und eklig (ich weiß das, weil wir das Bett selbst beziehen durften) und das Badezimmer ist auch nur so dahingemurkst. wir haben uns komplett übern Tisch ziehen lassen. diese Bleibe wäre nach unserem Empfinden höchstens --- AAAALLLLLERhöchstens -- 30 EUR wert. aber sie haben uns knapp 60 abgeknöpft. den Chinesen hätte ich was erzählt, aber hallo! … aber hier fehlt´s mir an Kommunikationsmöglichkeit! 

der Typ lacht sich eins ins Fäustchen, da sind wir uns sicher, weil er ein Vielfaches abgeknöpft hat und wir uns noch nicht mal wehren konnten. 

und dann hat er auch noch 100 Rubel für die beiden Motorräder haben wollen; dabei stehen die einfach nur aufm Parkplatz; darauf aufpassen tut sicherlich niemand! ... 

wir versuchen, es mit Humor zu nehmen. gehen noch in der Gaststätte nebenan ein Bier trinken und lassen den Tag ausklingen. 

 

eigentlich haben wir echt schöne Landschaften gesehen heute. da hätte es superschöne Campingplätze gegeben, aber Müüücken ohne Ende. kaum, dass man ne Minute anhält, hat man sie überall. nein, danke! das wollten wir nicht! 

Wald und Wiesen und Hügel ... und „der Tatort wird ihnen präsentiert von König Pilsener“- Seen. 

Robert vermutete, dass wir bereits durch die Ausläufer des Ural gefahren sind. kann sein - sieht man auf der Straßenkarte so schlecht ...

—————

Zurück