Tag 35 -- deutsch-ukrainische Freundschaft
Hanna hat das ganz gut erkannt: ich war gestern Abend in der Tat schon zu angeschickt für die tagtägliche Berichterstattung.
am ersten Abend hier haben wir kurz vorm Zubettgehen noch Andrej und Alexander kennengelernt. sie waren sehr lustig, aber irgendwie schien uns gleich, dass die doch irgendwas geraucht haben müssen, so wie die drauf waren. gestern tauchten sie gegen 15.30Uhr aus ihrem Schlafkoma wieder auf - gerade als wir uns hinsetzten, um gemütlich unsere Landkarten zu studieren. mit großem Wiedersehensfreuden-Halloooooo setzten sie sich zu uns und luden uns gleich mal zum ersten Drink ein. für uns war es tatsächlich der erste, für sie ganz sicher nicht. Whisky-Cola. während wir den einen schlürften, kippten sie sich in derselben Zeit zwei rein.
da wir uns ja nun leider nicht unterhalten konnten, wurde stets die Dame dazugerufen, die hier den Laden zu schmeißen scheint. sie spricht gut Englisch und hat gedolmetscht. erst ging es um unsere Tour, die sie so unglaublich beeindruckend fanden. wir seien so mutig und so toll, dass wir sowas machten! … überhaupt wurden sie nicht müde zu betonen, dass sie viel Respekt hätten und dass sie insgesamt finden, dass wir ein wundervolles Paar seien. das war alles sehr nett, aber beim zehnten Mal weiß man dann irgendwann nicht mehr, wie man darauf reagieren soll. danke, ja! das hatten wir schon! ..
als wir mal nicht über uns und unsere Tour gesprochen haben, erfuhren wir etwas über Land und Leute. und sie erzählten uns auch, dass viele Ukrainer die Deutschen nicht verstehen könnten und/oder wollten, dass es historisch begründet immernoch sehr viel Abneigung, Argwohn und Misstrauen gegenüber den Deutschen gebe, "but we slowly change our minds" …
wir erfuhren, dass Andrej offenbar mal Schulbücher für Kinder geschrieben hat und dass sie heute gemeinsam business machen -- welchen haben sie aber nicht gesagt.
sie bestanden darauf, uns deren Zimmer zu zeigen, welches sich über der Bar befand. da konnte man dann sehr deutlich erkennen, was für ein Etablissement das früher mal war: dort oben gab es hauptsächlich rote Sofas, große, runde, rote Betten und alles war verspiegelt (Decke, Wände), außerdem eine Theke und entsprechende Wandbemalung … die Atmosphäre dieses ehemaligen Bordells mag früher vielleicht mal samten-geheimnisvoll gewesen sein, heute mutete es eher etwas stickig-klebrig an. mag aber auch daran gelegen haben, dass die beiden Herren, die dort in dem früheren Zentrum des Geschehens und heutigen 10-Personen-Appartment zu zweit hausten ihre ganzen Teller und Schnapsgläser sowie volle Aschenbecher usw. noch nicht aufgeräumt hatten.
sie zeigten uns Fotos auf ihrem ipad, die alle recht langweilig waren und mit denen wir wenig anfangen konnten. aber freundlich war das alles trotzdem. es dauerte nicht lange, da wurde eine Flasche gebracht und uns als 6 Jahre alter Cognac angepriesen. wir dachten, dass damit gesagt war, dass wir das edle Zeugs bitte entsprechend zu genießen hätten. während wir also schlückenweise tranken, worauf wir eigentlich lieber verzichtet hätten, schüttete Andrej sich das ganze Glas aber auf einmal in die Kehle. zack, weg war`s.
wir fanden einen Moment, das ganze wieder nach unten an die frische Luft und in die weit angenehmere Bar-Lounge unter freiem Himmel zu verlagern. dort servierten sie uns eine kräftigende Borscht und betonten, dass dies eine urakinische(!) und keine russische Borscht sei. war sehr lecker. danach noch Pfannkuchen mit Lachs. und dazu: na, was wohl?: Wodka. ich habe nur genippt und den Rest verweigert. als die Gläser alle waren, ließen sie die nächste Flasche kommen: ohne Etikett. sah nach Eigenabfüllung aus. wieder Wodka -- mit Chili. alles klar! heftiges Zeug! … auch das habe ich auf ein Maß reduziert, dass es gerade noch nicht unhöflich war.
bei den beiden ukrainischen Jungs ging immer alles in einem Zug weg. unglaublich. aber das Bier, was wir organisiert hatten, das haben sie nicht runtergekriegt.
jedenfalls hat`s die beiden ganz schön verbogen. Andrej war plötzlich weg und kam nicht mehr wieder, Alexander blieb noch, guckte aber nur noch durch Nebel. es war trotzdem noch sehr lustig mit ihm -- obwohl wir beide den Eindruck hatten, dass er vielleicht gerne auch mehr von Robert gewollt hätte ... er war jedenfalls sehr kuschelig! ... Wir haben uns mit ihm unterhalten, ohne einander sprachlich zu verstehen. irgendwann pennte auch Alexander ein - gleich dort, wo er war, ohne sich noch weiter zu bewegen. uns beiden ging es auch noch gut.
wir blieben noch etwas, ließen den Abend gemütlich ausklingen - endlich ohne Wodka - und gingen dann auch schlafen. zum Berichtschreiben hatte ich da keine Lust mehr …
Tag 36 am Morgen
wir haben nicht so gut geschlafen, aber gut gefrühstückt und machen uns dann bald auf den Weg, trotz Regen. wir hatten einen entspannten, schönen Tag gestern, aber noch ein Wodka-Gelage brauchen wir nicht. also ziehen wir weiter! …
beste Grüße an Euch alle,
Friederike und Robert
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