Tag 9, 10, 11 -- schönste Natur, aber eigene Grenzen erfahren!
Tag 9, Tag 10, Tag 11
Hallo Ihr Lieben alle!
wir haben zwei Nächte im Zelt geschlafen und waren demnach ohne Internet-Connection. mein 3G wireless hat mitten in der Pampa und in den Bergen dann doch nicht funktioniert.
ich bin also im Verzug mit meinen Berichten. … und komme auch gedanklich kaum mehr hinterher, denn wir haben so viel gesehen und erlebt. ich krieg das gar nicht mehr richtig zusammen! aber ich versuch`s der Reihe nach:
Tag 9 war ein rundherum wunderschöner, entspannter Tag! Wir sind morgens in Xining losgefahren, nachdem wir unsere Motorräder quasi wieder aus dem Schaufenster des Hyundai-Ladens rausgeholt haben. wir fuhren ein Stück Autobahn, unerlaubterweise, aber es hat sich keiner lauthals beschwert und wir waren froh, dass es schneller voranging. irgendwann kamen wir an den Punkt, an dem wir uns entscheiden mussten für die Straße südlich oder nördlich vom Qinghai See. wir entschieden nördlich, da wir ohnehin in Zeitverzug sind. es lief einfach so dahin, km für km. schönste grüne Hügel mit vielen Schafen und ersten Yaks, die unseren Weg kreuzten. Wir folgten einfach der Straße, es ging bergauf und bergab. bergauf das erste Mal richtig auf 3869m Höhe. das fanden wir schon viel. und die Luft wurde durchaus dünner da oben. es ging weiter, am Fluss entlang und immer weiter durch die Hügel. dann folgte der nächste Pass. diesmal war er 4120,6m hoch. der Motor war nicht mehr so leistungsstark, ich zumindest musste häufiger zurückschalten und vorsichtig wieder Gas geben. als wir hielten, ging er von alleine aus … sprang aber zum Glück auch wieder an nach etwas Überzeugungsarbeit. die Passabfahrt war der Traum! viele Serpentinen zwar, aber wunderschön! und gut zu fahren. es kam mir gar nicht mehr vor wie in China, eher wie in Österreich. musste mir immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass dies tatsächlich China ist. solche Landschaften vermutet man hier gar nicht, kennt man eher von zu Hause. wir machten noch Halt an einem Flusslauf, wo Hunderte von Chinesen Fotos knipsten und aßen dann in dem nächsten kleinen Ort und tankten die Motorräder.
wir waren beide euphorisch ob des sooooooo schönen Tages! und fanden beide, dass es heute passend ist, in der Natur im Zelt zu schlafen. Robert hat mit seinem siebten Sinn einen tollen Platz ab von der Straße gefunden. hat perfekt gepasst!
Tag 10
wir hatten nicht viel geschlafen, weil wir gefroooooooooren haben ohne Ende. es war eisekalt. wir hätten doch unsere warmen Klamotten raussuchen müssen, hatten gedacht, es geht ohne ...
ich war soooo müde, als die Sonne aufging und der Tag begann. DA hätt ich dann plötzlich noch stuuuuundenlang schlafen können. aber wir packten unser Zeug und fuhren weiter. die Landschaft war ähnlich schön wie am Vortag und wir sahen die ersten schneebedeckten Bergspitzen. alles lief smooth, die Straße war super -- da war es einfach, ein paar km zu machen. irgendwann wurde es aber auch etwas öde, denn die Hügel wurden weniger und alles war plötzlich nur noch platt und gerade. die Straße war für Hunderte km à la "wir machen den Weg frei. Ihre Volks- und Raiffeisenbank".
wir verfolgten die km-Steine am Rand der Straße -- sie zählten abwärts. es wurde weniger und immer weniger --- und ich war seeeehr gespannt, was wohl kommen wird, wenn die Zählung auf 0 ist. endlich auf 0 ist, dachte ich mir! ich freute mich geradezu drauf! … aber was dann kam, war alles andere als erfreulich! bei 0 war nix anderes als die Provinzgrenze zwischen Qinghai und Gansu. schon wieder Gansu -- das dritte Mal auf unserer Reise überquerten wir die Grenze zu dieser Provinz! und wir hatten nicht nur gute Erfahrungen gemacht. es war sofort zu erkennen, dass dies wieder der Fall sein sollte.
die schöne schöne Qinghai-Straße endete im Schotter von Gansu. und vorher stand freundlicherweise noch ein Hinweisschild: der nächste Ort in 199km.
199km auf dieser Piste????? nie und nimmer! -- aber was blieb uns anderes übrig! zurück wollten wir auch nicht! wir hatten, kaum, dass wir hielten, um uns psychologisch auf die nächste Etappe einzustellen und lieber nochmal Ersatzwasser aus dem Fluss zu schöpfen, schnell etwa 20 Chinesen um uns herum. es wurden irgendwie immer mehr. sie unterbrachen ihre Arbeit und waren neugierig, wer wir waren, wo wir herkamen, wo wir hinwollten …
Das Auto, was aus der Richtung kam, in die wir wollten, hielt an. und diesmal waren wir es, die fragten: und zwar, ob es WIRKLICH 199km SO schlechte Straße seien! der freundliche Herr versicherte uns: "neeeeein. es ist zwar nicht so ne gute Straße, aber trotzdem easy zu fahren". man muss dazu sagen, dass der Typ im fetten SUV saß und gut Reden hatte …
Mit SO einem Offroad-Cruiser könnte ich das auch easy fahren! … naja, wir machten uns jedenfalls auf den Weg. mit einem etwas mulmigen Gefühl. ich zumindest!
es ging gleich los. hinter der ersten Kurve wusste ich schon nicht mehr, wie ich das Motorrad handlen sollte. was für eine Piste! und dann ging es bergauf! und zwar steil bergauf! Robert deutete mir, dass ich voran fahren sollte. begeistert von der Idee war ich nicht, hab`s aber brav gemacht. wahrscheinlich wollte er einfach gucken, wie es mir ergeht und aus der hinteren Position aufpassen. aber irgendwann überholte er dann und fuhr flott voran. deutete mir dann, ich sei wieder dran mit Vorfahren. hä? dachte ich mir. was sollte das? wollte er mir zeigen, dass man das auch schneller bewältigen als mit 5-10km/h? aus lauter Trotz drehte ich am Gasgriff und dachte mir leicht überfordert: na gut, wenn Du meinst! … und war schon leicht angesäuert. dabei hat er es nur gut gemeint. er erklärte mir, es sei besser, "materialschonend" zu fahren bei so ner Piste. was bitte? materialschonend? --- und wie mach ich das??
seine Antwort lautete: am besten geht es, wenn Du einfach "drüberfliegst"! … ---- aaahhhhhja! über Schlaglöcher und Schotter im Steilhang "drüberfliegen" und so tun, als ob man die Stöße nicht merkt und als ob es eine nagelneue Teerstraße sei?? ich muss zugeben, so GANZ nachvollziehen konnte ich es anfangs nicht.
es hat ne Weile gebraucht, bis ich kapiert hab, was er meinte. und es hat echt besser funktioniert. zweiter Gang ging am Besten, dritter ging manchmal, aber selten.
es ging in die Höhe. in Serpentinen. auf Schotter bzw. unebenster Straße.
Ihr könnt Euch nicht vorstellen, WIE froh ich war, als wir oben ankamen! die Natur war grandios, der Ausblick sagenhaft. und die kurvenreiche Strecke lag hinter uns, man konnte sie sehen.
ABER: das Schlimme war, dass wir ja auch wieder runter mussten. und runter ist ganz und gar nicht einfacher als hoch!
es ging an Abhängen vorbei, die mir echt Angst gemacht haben. ich bin immer bergseitig gefahren, selbst wenn da mehr Steine waren. aus lauter Schiss, dass auf der Abhang-Seite nur ein Fehler bedeuten könnten, mit dem Geröll nach unten zu rutschen. nein danke!
es war stressig! es wurde etwas besser, je weiter wir nach unten kamen, aber mein Kopf hat verrückt gespielt. und ich hab mich echt verkrampft zwischendurch. das Blödste, was man überhaupt tun kann. und ich hab so gehofft, dass Robert iiiiiirgendwann mal anhält für ne Pause. hat er dann auch irgendwann. und da liefen mir die Tränen. vor Erschöpfung und Anstrengung. denn sonst war eigentlich nix.
hab mir nur selber tröstend zugesprochen: "immerhin bin ich nicht hingefallen" -- nur ein paar hundert Meter nach unserer Pause war es dann aber doch soweit: kleine Kieselsteine, in denen die Räder einsackten. lenken war für mich kaum mehr möglich, das Vorderrad machte eh, was es wollte, sprang von da nach da. ich weiß noch immer nicht, woran es lag. ob ich einfach gerutscht bin oder ob ich die Vorderbremse benutzt habe (verboten unter solchen Umständen!)? --- jedenfalls lag das Motorrad da und ich war sooooo sauer auf mich selbst, dass das passiert ist. Robert kam zurück und hat mir geholfen, die Maschine wieder aufzustellen. alleine hätte ich keine Chance gehabt! interessanterweise tauchten auch ein paar Chinesen auf, die auch noch mit angepackt haben. aus dem Nichts irgendwie, aber sie waren da. und das war nett!
der Sturz war ein kleiner Rückschlag, auch wenn nichts passiert ist, außer dass die Hinterradbremse etwas verbogen ist (ohne Beeinträchtigung der Funktion zum Glück).
aber es ging weiter. wenn man einmal hingefallen, macht es das nachher psychologisch nicht einfacher. ich dachte schon, die Piste nimmt gar kein Ende mehr, aber dann kam irgendwann doch ein Stück, das ohne Schotter war. immerhin!
wir kamen in eine Ortschaft, tankten, ruhten etwas aus.
es war aber noch zu früh für Tagesabschluss. "wir fahren noch ein kleines Stück", dachten wir uns. aber stellten dann fest, dass weit und breit keine Bleibe war … also zelteten wir erneut!
wir waren allerdings etwas beunruhigt, als wir feststellten, dass wir keineswegs mehr bei Helligkeit in den nächsten größeren Ort kommen können, andererseits alles sooooo steinig-felsig-bergig war, dass man da kein Zelt hätte aufbauen können. irgendwann kamen wir an einer kleinen Hütte vorbei, die unbewohnt war. wir fuhren durch den Zaun in die Einfahrt und stellten unser Zelt einfach dort neben der ollen Hütte auf. mitten in den Bergen, mitten in der Pampa.
und diesmal zogen wir uns wärmer an! und die Nacht war ok.
Tag 11
nachdem das Zelt wieder abgebaut und alles wieder verstaut war, fuhren wir weiter. in der Annahme, dass wir den schlimmsten Teil ja gestern schon hinter uns gebracht haben. stimmte aber nicht! denn nach Kurzem ging es wieder genauso los wie am Tag zuvor. nur diesmal waren es gleich zwei solcher Pässe. es war eine Tortur für mich! und die Aussicht und wunderbare Landschaft tröstete nur bedingt in dem Moment. ich kam an die Grenze dessen, was ich glaubte, schaffen zu können!
aber irgendwie haben wir es gemeistert!!! -- auch, wenn wir für 100km sage und schreibe VIER Stunden gebraucht haben!
die Piste wollte kein Ende nehmen und ich war heilfroh über jeden Meter, der mal ohne Steine war. --- irgendwie war das n bisschen so wie früher beim Rollschuhfahren. wisst Ihr vielleicht auch noch, oder?: wenn man mal auf ein Stück dunkelschwarzer, neu geteerter Straße kam, lief plötzlich alles glatt und weich und fühlte sich toll an! genauso ging es mir heute in den wenigen Abschnitten ohne Schotter.
wir klettern mühsam 4500m-hohe Berge hoch und wieder runter. und konnten es kaum fassen, als wir an der Abbiegung ankamen, an der der Spuk vorbei war.
ich hab echt immer wieder gedacht, man müsse eine Spendenaktion ins Leben rufen: für die Provinz Gansu! auf dass auch diese Provinz mal ihre Straßen restaurieren kann! --- wer hat noch ein paar Cent übrig??!! ;-)
wir fuhren auf der 312 weiter Richtung Westen. mussten aber leider feststellen, dass die Straße wiiiieder so ätzend zu fahren war. ich hatte die Nase voll und wollte diese Eierei nicht länger mitmachen. ich war fest entschlossen, wieder verbotenerweise auf die Autobahn zu fahren, egal um welche Preis. wie kann man so eine Straße wie die 312 als "guodao" / "national road" verkaufen??? unglaublich!
so fuhren wir noch weitere 160km Autobahn -- trotz Erschöpfung. aber wenn man schon mal drauf ist, sollte man die Chance nutzen, dachten wir uns…
also sind wir jetzt in Guazhou -- links geht es nach Dunhuang, rechts nach Turpan und Urumqi. rechts ist unsre Richtung für morgen. ich würde Autobahn bevorzugen, ganz eindeutig! ;-)
drückt uns die Daumen, ja?!
bis bald, Eure Reisenden …
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